Der Spieler
Inhalt „Der Spieler“
Am Spieltisch hat Halgor das As meist alle Trümpfe in der Hand. Dem magischen Widersacher gegenüber, der ihm erst einen und dann gar einen zweiten Mord unterschiebt, muß er passen. Bis er während der Namenlosen Tage die Möglichkeit bekommt, einen Pakt mit einem Erzdämon der Rache zu schließen. Fortan hat Halgor nur zwei Ziele vor Augen: die Überführung des wahren Täters und tödliche Vergeltung – sei es um den Preis seiner gesamten Existenz.
— Klappentext des Werkes; zur Weiterverwendung siehe Ulisses-Disclaimer
Zusatzinformationen:
Keine Angaben.
Bewertung der Redaktion
- Bewertung
Fazit
Ich habe Der Spieler gelesen, weil ich mir vorgenommen habe, alle DSA-Romane zu lesen – und nach Schlange und Schwert von Lena Falkenhagen wollte ich diesmal etwas völlig anderes. Statt Wüste, Götterglaube und Schlangenmythos suchte ich eine Geschichte mit urbanem Flair, Intrigen, Glücksspiel und moralischer Zwielichtigkeit. Genau das verspricht Der Spieler – und er hält es. Außerdem war es logisch, da es die nächste Romannummer 22 war.
Schon der Klappentext weckte Neugier: Ein Berufsspieler, der in einen Mordfall verstrickt wird, ein Pakt mit einem Erzdämon, ein Ränkespiel voller Täuschungen und Identitätswechsel. Nach mehreren eher klassischen DSA-Romanen mit epischen oder mythologischen Themen klang das nach einem erfrischend bodenständigen – und zugleich düsteren – Ansatz.
Ich wollte wissen, ob Christian Jentzsch es schafft, Aventurien aus einer anderen Perspektive zu zeigen: nicht aus der Sicht von Helden, sondern von Menschen, die am Rande der Moral leben. Im Folgenden beschreibe ich den Inhalt mit Charakteren, Handlung und Atmosphäre – und am Ende kommt natürlich meine persönliche Einschätzung.
Inhalt
Charakterbeschreibung
Halgor das As
Halgor ist der Titelheld des Romans – ein professioneller Kartenspieler, der sich selbst als Künstler des Zufalls begreift. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen in Gareths Viertel Meilersgrund, wo er als Straßenjunge das Falschspiel erlernte. Früh lernt er von „der Goldenen Hand“ Mordecai das Handwerk des Spielers: Bluffen, Beobachten, Rechnen, Psychologie.
Doch Halgor ist kein schillernder Glücksritter, sondern ein ambivalenter Charakter. Er hat Prinzipien – kein Spiel ohne klare Regeln, keine Gewalt –, und genau diese Prinzipien werden auf die Probe gestellt, als er in eine Intrige aus Mord, Verrat und Dämonenpakt gerät. Sein Spitzname „das As“ steht ironisch für seine Selbstsicherheit, die ihm im Verlauf der Geschichte Stück für Stück genommen wird.
Drogosch, Sohn des Darbuin
Der zweite zentrale Charakter ist Drogosch, ein zwergischer Bordellbesitzer und Freund Halgors. Er ist eine der angenehmsten Figuren des Romans – ein zynischer, aber loyaler Pragmatiker. Drogosch verkörpert den Boden der aventurischen Gesellschaft: jemand, der weiß, wie Dinge wirklich laufen, und der zwischen Schmiergeld, Gerüchten und politischen Abhängigkeiten überlebt. Trotz seiner rauen Art ist er moralisch standfester als viele Menschen.
Drogosch ist das Gewissen der Geschichte – und gleichzeitig der einzige, der Halgor wirklich ernst nimmt. Seine Dialoge bringen Humor und Lebensklugheit in eine sonst sehr düstere Handlung.
Thanos, der Magier
Thanos ist ein Magier aus Gareth, der in die Ereignisse hineingezogen wird, nachdem sich herausstellt, dass ein Doppelgänger sein Aussehen benutzt hat. Er ist rational, höflich und neugierig – und dennoch nicht frei von Eitelkeit. Seine Begegnung mit Halgor und Drogosch bringt eine zusätzliche Ebene ins Spiel, denn er wird selbst Opfer der magischen Manipulationen, die im Zentrum der Geschichte stehen.
Blakharaz – der Herr der Rache
Als Erzdämon der Rache spielt Blakharaz eine sinistre, aber faszinierende Nebenrolle. Er ist kein klassischer Bösewicht, der mit Feuer und Schwefel auftritt, sondern ein kalter Versucher. Seine Auftritte in der Dämonenbrache, seine Stimme im Kopf Halgors und seine Rolle im „Spiel um die Seele“ verleihen dem Roman eine metaphysische Dimension.
Nacherzählung
Der Roman beginnt mit Halgors Rückblick auf seine Kindheit in den Slums von Gareth. Seine Mutter verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Wahrsagerin, und von ihr lernt Halgor den Umgang mit Karten. Nach ihrem Tod nimmt ihn der legendäre Spieler Mordecai, genannt die Goldene Hand, unter seine Fittiche. Von ihm lernt Halgor nicht nur Tricks und Taktik, sondern auch den Glauben an Phex – den Gott des Glücks, des Handels und der List.
Jahre später ist Halgor ein angesehener Spieler in Gareths Oberschicht. Er bewegt sich zwischen Phex-Tempeln, Tavernen und den Bordellen Drogoschs, wo er mit Adeligen und reichen Händlern spielt. Doch bei einem dieser Spiele geht alles schief: Zwei Menschen sterben – der junge Baron Baldur von Hohenstein und die Kurtisane Marisha, Halgors Freundin, mit der er sich eine Zukunft aufbauen möchte. Halgor wird des Doppelmordes beschuldigt und landet im Kerker.
Die Szene des Mordes ist einer der stärksten Momente des Romans. Der Leser weiß, dass Halgor Opfer einer Intrige ist, aber die Beweise sprechen gegen ihn. Baldur wurde erstochen, Marisha erwürgt – und Halgor war am Tatort. Doch in Wahrheit steckt Baldurs Bruder Wolfherr von Hohenstein dahinter, der aus Neid und Wahnsinn heraus einen perfiden Plan schmiedet.
In der Nacht der Namenlosen Tage gelingt Halgor die Flucht aus dem Kerker – in die Dämonenbrache. Dort, in dieser verfluchten Ödnis, begegnet er einer Gestalt in Schwarz: Blakharaz, der Herr der Rache. Der Erzdämon rettet ihm das Leben – und bietet ihm Rache an, im Austausch für seine Seele. Halgor, von Schuld und Wut erfüllt, geht auf den Pakt ein.
Von diesem Moment an beginnt ein gefährliches Spiel. Halgor erwacht in Gareth – und spürt, dass der Dämon Teil seiner Seele geworden ist. Er schwört, den wahren Mörder zu finden, doch bald verschwimmen Traum, Realität und Magie. Immer wieder erscheint ihm Blakharaz in Visionen, manchmal als Stimme, manchmal in der Gestalt von Menschen.
Zusammen mit Drogosch versucht Halgor, den Fall aufzuklären. Dabei stoßen sie auf Thanos, einen Magier, dessen Doppelgänger am Mordabend eine zentrale Rolle gespielt hat. Offenbar wurde Magie eingesetzt, um Identitäten zu vertauschen – ein Spiel mit Illusionen, das Halgor fast in den Wahnsinn treibt.
Zwischendurch wechseln die Kapitel zu Wolfherr von Hohenstein, der sein eigenes dunkles Spiel spielt. Er hat einen Pakt mit demselben Dämon geschlossen, um seinen Bruder zu töten und die Schuld auf Halgor zu schieben. Der Leser erfährt, dass Wolfherr den Mord minutiös inszenierte: Er tötete Baldur, platzierte den bewusstlosen Halgor am Tatort und sorgte dafür, dass die Spuren eindeutig wirkten.
Als Halgor schließlich die Wahrheit erkennt, plant er Rache. Trotz Drogoschs Warnungen will er Wolfherr aufsuchen. Gleichzeitig ahnt der Baron, was kommen wird – und bereitet eine Falle vor.
Das Finale ist ein psychologisches Duell: Rache gegen Reue, Dämon gegen Mensch. Der Showdown im Herrenhaus der Hohensteins endet dramatisch, mit Gewalt, Täuschung und der endgültigen Enthüllung der dämonischen Verstrickung. Halgor erkennt zu spät, dass er selbst Teil des Spiels des Erzdämons geworden ist – ein Spieler, der nicht mehr weiß, ob er noch Mensch ist oder schon Einsatz.
Der Roman schließt mit einer bitteren Note: Halgor lebt, aber er hat alles verloren – Freunde, Liebe, Vertrauen. Doch in seinem letzten inneren Monolog spürt man, dass er begriffen hat, dass jede Revanche nur neue Schuld bringt.
Szenendarstellung / Atmosphäre
Der Spieler ist ein außergewöhnlich stimmungsvoller Roman. Christian Jentzsch gelingt es, Gareth als lebendige, schmutzige, pulsierende Metropole darzustellen – eine Stadt voller Bordelle, Spielhäuser, Tavernen, Schieber und korrupter Beamter. Hier herrschen List, Gold und Sünde, und der Glaube an Phex ist nicht religiös, sondern pragmatisch.
Die frühen Kapitel über Halgors Kindheit in Meilersgrund sind besonders eindrucksvoll. Man riecht den Müll, hört das Geklapper der Karren und das Rufen der Händler. Diese Bodenständigkeit hebt den Roman deutlich von anderen DSA-Büchern ab, die oft in Palästen oder Tempeln spielen.
Die Szenen in der Dämonenbrache hingegen haben eine ganz andere Qualität – beklemmend, traumhaft, fast horrorartig. Wenn Halgor Blakharaz begegnet, hat man das Gefühl, eine Vision aus einem fremden Alptraum zu betreten. Jentzsch beschreibt diese Begegnungen mit subtiler Gänsehaut, ohne in Effekthascherei zu verfallen.
Auch die Spielszenen sind meisterhaft umgesetzt. Das Glücksspiel wird nicht nur als Handlungselement genutzt, sondern als zentrales Symbol: Das ganze Leben ist ein Spiel, und wer die Regeln nicht kennt, verliert seine Seele. Halgor reflektiert selbst darüber, dass er immer dann verliert, wenn er das Spiel eines anderen spielt.
Die Dialoge zwischen Halgor, Drogosch und Thanos sind pointiert, teilweise ironisch, aber nie platt. Besonders Drogoschs trockene Bemerkungen bringen eine willkommene Balance in die düstere Handlung.
Stilistisch überzeugt Jentzsch mit klarer, schnörkelloser Sprache. Er schreibt „flott“, ohne trivial zu wirken. Die Erzählperspektive wechselt geschickt zwischen Halgor und Wolfherr, was den Spannungsbogen aufrechterhält. Der Roman liest sich fast wie ein Krimi, in dem man lange nicht sicher ist, wer eigentlich Täter und Opfer ist.
Fazit
Der Spieler ist ein ungewöhnlicher DSA-Roman – weniger Fantasy, mehr Kriminalgeschichte mit metaphysischem Unterton. Statt Heldentum gibt es Verzweiflung, statt Zauberei moralische Entscheidungen.
Besonders gelungen sind die Hauptfiguren:
Halgor das As – tragisch, clever, menschlich.
Drogosch – bodenständig, humorvoll und loyal.
Thanos – ein Magier zwischen Skepsis und Erkenntnis.
Ihr Zusammenspiel macht den Reiz des Buches aus. Die Idee des dämonischen Spiels um die Seele, kombiniert mit Körpervertauschung und Illusion, sorgt für eine fesselnde, fast filmreife Dynamik. Das Thema Rache zieht sich durch alle Ebenen – irdisch, dämonisch und moralisch.
Man kann sich gut in die Figuren hineinversetzen. Ihre Motive sind nachvollziehbar, ihre Fehler glaubwürdig. Halgors Ringen zwischen Schuld und Rache, Thanos’ Zweifel und Drogoschs Zynismus – das alles wirkt authentisch und dicht.
Allerdings bleibt ein Punkt irritierend: Warum Halgor überhaupt Kontakt mit Blakharaz aufnehmen kann, ist nicht wirklich erklärt, da er nicht (oder nicht wissentlich) magisch begabt ist, denn das ist nur denen vorbehalten. Und auch selbst wenn es die Namenlosen Tage in der Dämonenbrache sind, wirkt dieser Moment für Aventurien-Verhältnisse etwas zu willkürlich. Diese kleine Ungereimtheit in der Logik kostet dem Roman einen halben Punkt.
Davon abgesehen überzeugt Der Spieler durch Tempo, Spannung und Atmosphäre. Der Text ist flüssig geschrieben, die Szenen lebendig, die innere Zerrissenheit der Figuren greifbar. Besonders das Ende – mit seinem bitteren, aber befreienden Schlussakkord – bleibt im Gedächtnis.
Endnote: 4 von 5 Sternen.
Ein packender, moralisch vielschichtiger DSA-Roman über Versuchung, Schuld und Selbstbestimmung. Der Spieler beweist, dass Aventurien nicht nur aus Heldenepen besteht, sondern auch Platz hat für düstere, psychologische Geschichten.
Ich fand den Roman richtig gut, gerade wegen der interessanten Hauptcharaktere und ihres Zusammenspiels zwischen Pakt, Täuschung und Rache. Man spürt, wie sie gegen sich selbst kämpfen, und das macht sie glaubwürdig. Der Roman ist flott geschrieben, die Beweggründe sind nachvollziehbar – und obwohl ich die Pakt-Szene fragwürdig finde, hat mich die Geschichte insgesamt hervorragend unterhalten.
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Bildquellen
- Der Spieler DSA Roman R22: Krzysztof Wlodkowski © Alle Rechte vorbehalten. ©Heyne Alle Rechte vorbehalten.

