Spuren im Schnee
Inhalt „Spuren im Schnee“
„Die übliche Verfahrensweise besteht darin, daß der Auftraggeber an die Bruderschaft herantritt. Heißt der Zweite Finger sein Anliegen gut, so bestimmt er einen von uns, sich der Sache anzunehmen, worauf der oder die Erwählte für einen stillen oder spektakulären Tod des Opfers sorgt. Bei der Erledigung unserer Arbeit kommen wir meist den Wünschen des Auftraggebers nach – aber nicht immer. Schließlich sind wir keine Unmenschen. Doch nun zu dir, Bruderschwester …“
— Klappentext des Werkes; zur Weiterverwendung siehe Ulisses-Disclaimer
Zusatzinformationen:
Das in dem Roman angestimmte Lied einer Bardin über eine Hexenverbrennung ist eine Anspielung auf die Romane der Serie „Die Reise nach Salza“.
Der Charakter in diesem Roman, die Magierin A’Sar ist die Hauptprotagonistin in dem Roman „Schlange und Schwert“ von Lena Falkenhagen.
Bewertung der Redaktion
- Bewertung
Fazit
Nachdem ich zuletzt den DSA-Roman Flucht aus Ghurenia von Hans Joachim Alpers gelesen habe, wollte ich meine persönliche Reise durch die DSA-Romanreihe weiterführen. Mein Ziel ist es, wirklich alle DSA-Romane nach und nach zu lesen – ganz egal, ob Klassiker, Geheimtipp oder berüchtigte „schwächere“ Werke. Als Nächstes stand also Spuren im Schnee von Karl-Heinz Witzko auf dem Plan, der zweite Teil der Reihe um Scheïjian von Tarschoggyn.
Den Auftakt, Treibgut, hatte ich schon vor einiger Zeit gelesen und mit gemischten Gefühlen zur Seite gelegt. Umso gespannter war ich, wie Witzko die Geschichte seines ungewöhnlichen Helden fortführt und ob er diesmal mehr Spannung und weniger Längen schafft.
Am Ende dieser Rezension kommt – wie immer – meine persönliche Meinung und eine Wertung. Vorweggenommen: Ich habe mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt, auch wenn nicht alles überraschend war.
Nacherzählung (SPOILER)
Der Roman Spuren im Schnee setzt dort an, wo Treibgut den Leser etwas orientierungslos zurückgelassen hatte. Diesmal gelingt es Witzko jedoch, die Fäden klarer zusammenzuführen. Der Schauplatz ist wieder Maraskan, jene von Kriegen, Unterdrückung und Widerstand zerrissene Insel, deren exotisches Flair wie ein ständiger Unterton unter der Geschichte liegt.
Im Mittelpunkt steht erneut Scheïjian von Tarschoggyn, der nach den Wirren des ersten Bandes in eine neue Folge von Abenteuern hineingezogen wird. Anstatt klassischer „Heldenqueste“ steht diesmal ein mysteriöser Reigen an Morden im Vordergrund. Überall, wohin Scheïjian und seine Begleiter kommen, stoßen sie auf Spuren von Gewalt und Tod. Schon früh wird klar, dass es nicht nur um einzelne Verbrechen geht, sondern um eine Serie von Morden, die sich wie eine Kette durch die Ereignisse zieht.
Die ersten Kapitel sind stark geprägt von der Einführung der maraskanischen Umgebung: Tempel der Zwillinge, Rebellen, die sich im Dschungel verstecken, und die bedrückende Präsenz der Besatzungstruppen des Mittelreiches. In dieser Atmosphäre trifft der Leser auch auf Luca, den Priester der Zwillinge. Er wird als Mensch gezeigt, der zwischen religiösem Eifer, philosophischen Grübeleien und persönlichen Schwächen schwankt. Sein Weg kreuzt sich mit Scheïjian, und gemeinsam geraten sie tiefer in die Verstrickungen der Mordserie.
Die Morde selbst sind abwechslungsreich und oft bizarr beschrieben: Opfer, die unter merkwürdigen Umständen sterben, blutige Spuren im Schnee (der dem Buch seinen Titel gibt) oder rätselhafte Zeichen, die auf eine größere Verschwörung hindeuten. Witzko versteht es hier, Spannung zu erzeugen, indem er die Leserschaft immer wieder mit kleinen Andeutungen lockt, ohne gleich alle Karten offen auf den Tisch zu legen.
Während Scheïjian versucht, die Fäden zu entwirren, wird er immer wieder mit seiner eigenen Vergangenheit und seiner Rolle in diesem Chaos konfrontiert. Er ist kein typischer Ermittler, sondern stolpert eher in die Aufklärung hinein, was ihn für manche Leser greifbarer macht. Gleichzeitig sorgt dies für eine gewisse Passivität, die aber diesmal nicht wie in Treibgut lähmend wirkt, sondern zur Atmosphäre beiträgt.
Immer wieder gibt es Begegnungen mit seltsamen Figuren – von fanatischen Tempeldienern bis zu überlebensgroßen Rebellenführern. Viele von ihnen bleiben ambivalent: Niemand ist nur „gut“ oder „böse“, jeder trägt eigene Geheimnisse mit sich.
Am Ende verdichtet sich die Handlung zu einer klassischen Aufklärungsgeschichte: Der Täter wird enttarnt, die Hintergründe der Mordserie offenbart. Überraschungen bleiben allerdings begrenzt – die Auflösung wirkt eher folgerichtig als schockierend. Dennoch ist der Weg dorthin spannend erzählt, mit vielen kleinen Wendungen, die das Lesen lohnenswert machen.
Inhalt
Szenendarstellung / Atmosphäre
Eine der großen Stärken von Spuren im Schnee ist die Atmosphäre, die Karl-Heinz Witzko aufbaut. Wo der Vorgänger Treibgut oft zerfasert und unkonzentriert wirkte, zeigt Witzko hier ein sichereres Gespür für Szenenaufbau.
- Maraskan als Schauplatz
Die Insel Maraskan ist alles andere als ein gewöhnlicher Hintergrund. Sie lebt von ihrem eigentümlichen Glauben an Rur und Gror, ihrer verschlungenen Kultur und der ständigen Spannung zwischen Besatzungsmacht und Widerstand. Witzko gelingt es, dieses Ambiente nicht nur als „Tapete“ zu nutzen, sondern in die Handlung zu verweben. Gespräche über Glaubensfragen, skurrile Dialoge mit Einheimischen und die Darstellung des allgegenwärtigen Dschungels lassen Maraskan plastisch wirken. Für Aventurien-Kenner ist es ein Wiedersehen mit einem der interessantesten, aber auch schwierigsten Spielorte; für Einsteiger bleibt es exotisch und ein wenig befremdlich, aber nachvollziehbar.
- Die Mordszenen
Die titelgebenden Spuren im Schnee sind ein starkes Bild: Blut auf Weiß, Leben und Tod im Kontrast. Witzko beschreibt die Schauplätze der Morde eindringlich, ohne ins Splatterhafte abzurutschen. Oft liegt der Fokus weniger auf den Leichen selbst, sondern auf den Reaktionen der Figuren: Furcht, Wut, Verzweiflung. Dadurch entsteht eine Art psychologischer Krimi-Atmosphäre, die sich angenehm von der sonst üblichen „Helden ziehen los und erschlagen das Böse“-Struktur abhebt.
- Figureninteraktionen
Besonders atmosphärisch sind die Szenen, in denen Scheïjian auf die unterschiedlichsten Personen trifft. Gespräche in schummrigen Tavernen, Treffen mit Rebellenführern im Dschungel, stille Momente in Tempeln – Witzko schafft es, durch Dialoge Spannung aufzubauen. Oft steckt in scheinbar nebensächlichen Gesprächen mehr als in actionreichen Auseinandersetzungen.
- Schnee und Dschungel – Kontrast in Bildern
Der Roman spielt mit Gegensätzen: tropischer Dschungel und klirrende Kälte, die Leere weißer Schneefelder und die überbordende Fülle maraskanischer Vegetation. Gerade dieser Kontrast prägt die Stimmung: Der Leser fühlt sich ebenso hin- und hergerissen wie die Figuren, die in einer Welt voller Widersprüche leben.
- Erzählstil
Witzkos Stil bleibt stellenweise verschachtelt und philosophisch, besonders wenn er über Gut und Böse reflektiert. Das kann für Einsteiger manchmal sperrig wirken, ist für Kenner jedoch ein erkennbares Markenzeichen, der „Witzko-Stil“. Im Vergleich zu Treibgut sind die Passagen aber klarer strukturiert; die Handlung verliert sich weniger in Nebenschauplätzen, sondern bleibt dichter am Kern.
Fazit
Mit Spuren im Schnee liefert Karl-Heinz Witzko einen Roman, der die Schwächen seines Vorgängers Treibgut weitgehend hinter sich lässt. Statt einer zerfaserten und manchmal orientierungslosen Handlung präsentiert er diesmal eine in sich stimmige Geschichte, die vor allem durch die Mordserie und die damit verbundene Ermittlungsstruktur Spannung erzeugt.
Die Figuren sind besser gezeichnet: Scheïjian bleibt ein zwiespältiger, ungewöhnlicher Held, doch gerade das macht ihn interessant. Luca als maraskanischer Priester bietet eine gelungene Ergänzung, weil er den religiösen und kulturellen Hintergrund lebendig einbringt. Insgesamt wirken die Nebenfiguren weniger wie bloße Stichwortgeber, sondern tragen spürbar zur Atmosphäre bei.
Die Stärken des Romans liegen klar in der dichten Atmosphäre: Maraskan wird als exotische, widersprüchliche Insel greifbar; die Schauplätze sind abwechslungsreich und bildhaft beschrieben. Besonders die Szenen der Morde, die titelgebenden „Spuren im Schnee“, bleiben im Gedächtnis. Hier gelingt Karl-Heinz Witzko eine Mischung aus Krimi-Spannung und klassischer Aventurien-Fantasy.
Natürlich gibt es auch Schwächen. Die Handlung ist insgesamt wenig überraschend und die ersten 300 Seiten wirken eher wie eine Beschreibung vieler Charaktere und Ortschaften. Wer aufmerksam liest, ahnt dann, wohin die Reise geht, und die Auflösung der Mordserie wirkt eher konsequent als verblüffend. Auch Witzkos verschachtelter Stil mag nicht jedermanns Sache sein, gerade Einsteiger können sich daran stoßen.
Trotzdem: Im Vergleich zu Treibgut ist Spuren im Schnee ein deutlicher Schritt nach vorn. Wo der erste Teil noch wie ein zähes Treibholz auf dem Wasser trieb, hat dieser zweite Band einen klaren Kurs und weiß, seine Leser mitzunehmen. Die Suche nach dem Mörder war spannend erzählt und hat mich gut unterhalten.
Endnote: 3,5 von 5 Sternen.
Ein solider, atmosphärisch dichter DSA-Roman, der zwar keine großen Überraschungen bietet, dafür aber die Stärken Aventuriens – Kultur, Religion, Rätsel und eine dichte Stimmung – gut einfängt. Für Sammler und Komplettleser der Reihe fast Pflicht, für Einsteiger ein guter, wenn auch nicht einfacher Einstieg in die Eigenheiten Maraskans.
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Bildquellen
- Spuren im Schnee DSA Roman R20: Krzysztof Wlodkowski © Alle Rechte vorbehalten. ©Heyne Alle Rechte vorbehalten.